Wald!schulallee

Als Fußballfan ist man Gewohnheitstier. Eine der wichtigsten Funktionen dieser Leidenschaft ist es schließlich, seinem zumeist leicht verpeilt-chaotisch verlaufendem Leben zumindest einen Hauch von Struktur zu geben. Man trifft die gleichen Leute, zur gleichen Zeit, alle 14 Tage sogar am gleichen Ort, und schaut den gleichen Ballartisten bei ihrer mehr oder weniger ausgeprägten Kunst zu. Die Ergebnisse ändern sich, der Rahmen bleibt gleich – das ist der Idealzustand. Da nervt es einfach, sich auf neue Gegebenheiten einstellen zu müssen, die das innere Gleichgewicht ins Wanken bringen.

Der Normalzustand, an den sich TeBe-Anhänger seit Beginn dieser Spielzeit gewöhnen mussten, ist der, sich irgendwo am Arsch der Berliner Fußballwelt auf ebenerdigen Stehplätzen am Spielfeldrand eines Nebenplatzes mit seinen Mitfans herumzuquetschen, nachdem man kurz zuvor am Einlass noch bundesligareif geschröpft wurde. Der Normalzustand ist, Fußball eher zu hören denn zu sehen, weil einem wahlweise entweder der Linienrichter, ein Mitsupporter, ein Gitter oder aber die Botanik die Sicht versperrt – so wie vergangene Woche in Gatow. Irgendwann hat man dieses Feeling so verinnerlicht, dass man Fußball ohne diese Begleitumstände irgendwie nicht mehr Fußball ist.

Umso ärgerlicher, dass dieser Zustand zwar nahezu überall in der Berlinliga, im Mommse aber nach wie vor nicht hergestellt ist. Weder die schon vor Jahren durch die Lila Laune zum Maximum des Fußballgenusses erhobene Ebenerdigkeit wurde hier bislang verwirklicht, noch bieten die Ränge einen gesunden Mischwald und die Lautsprecherboxen bieten keinen adäquaten Ersatz für die andernorts im Weg stehenden Birken und Buchen. Die bekanntermaßen schwer sozialkritische TeBe-Fanszene nahm dies alles zum Anlass, endlich offensiv auf die himmelschreienden Defizite des Mommse hinzuweisen. Und wo keine Bäume sind, müssen eben welche herbeigeschafft werden.

Der Rahmen für ein berlinligatypisches Fußballfest war also gegeben, und unter Gesängen wie „Wir haben euch was mitgebracht: Ast, Ast, Ast!“ startete die Partie gegen den Tabellendritten. Ungünstig nur, dass die Mannschaft auf ungewohntem Naturrasen anzutreten hatte. In Abschnitt eins zeigten sich die in violett angetretenen Gäste dann auch gefährlicher, möglicherweise auch dank der Autosuggestion, die „Lilaaaa!“ – „Weißeeee!“-Wechselgesänge zwischen Eblock und Tribüne würden ihnen gelten. Nunja, nebenbei gesagt besaßen sie auch die etwas reifere Spielanlage. Fehlenden Willen konnte man TeBe keineswegs vorwerfen, aber hier und dort war man individuell doch den kleinen Tick unterlegen, der die acht Tabellenplätze ausmacht, welche beide Teams trennen.

Dabei bleibt die TeBe-Equipe nach wie vor eine Wundertüte: Nach den an dieser Stelle hochgepriesenen Nullnummern gegen diverse Spitzenteams und zuletzt dann wieder recht torreichen Spielen hatte man sich diesmal erneut für eine defensive Ausrichtung entschieden und zog diese auch recht konsequent durch, selbst die beiden Spitzen Tafi und Wiesner arbeiteten in der Rückwärtsbewegung recht diszipliniert mit.

Das funktionierte etwa fünfundzwanzig Minuten lang relativ erfolgreich, bevor sich die zuvor nur optisch überlegenen Mahlsdorfer die erste richtig dicke Torchance erspielen konnten. Gästegoalgetter Zorn war mit dem Ball bis zur rechten Strafraumgrenze durchmarschiert und legte quer auf einen seiner zentral auf den Kasten zustürmenden Mitspieler, der das Leder glücklicherweise jedoch nicht richtig traf, so dass A-Jugend-Keeper Künnemann, erneut für den verletzten Rahden im Tor, den bereits sicher geglaubten Führungstreffer der Gäste mit einer tollen Rettungstat verhindern konnte – Jubel im Mommse, als hätte TeBe soeben die Führung erzielt. Was im Gegenzug um ein Haar dann tatsächlich Wirklichkeit geworden wäre, als der Eintracht-Keeper bereits geschlagen war und Mike Wiesner fast das Kunststück vollbracht hätte, den Ball aus extrem spitzen Winkel einzunetzen.

In der Folgezeit trafen die Mahlsdorfer in Person von Zorn dann gleich zweimal per Kopf. Mady Riehl hätte an dieser Stelle gesagt „Einer ist leider doppelt, den müssen wir abziehen“, und so ging es nur mit 0:1 in die Kabinen, eine zu diesem Zeitpunkt nicht ganz unverdiente Führung, wobei TeBe kurz vor dem Pausenpfiff durch Bongartz und Taflan durchaus noch hätte ausgleichen können.

Taflan war nach dem Wechsel nicht mehr dabei, angesichts des Spielstands und seiner recht ansprechenden Leistung vermutlich, weil er angeschlagen war. Für ihn kam Ömer Tetik ins Spiel, Benny Hendschke rückte aus dem zentralen Mittelfeld in den Angriff, Okan Isik von der linken auf die rechte Seite und Benad nach innen. Was TeBe kompakter werden und auch vermehrt Impulse nach vorne setzen ließ. Der Lohn in Form des Ausgleichstreffers ließ nicht lange auf sich warten – wie schon gegen Empor war erneut Alexander Greinert erfolgreich, diesmal per toller Direktabnahme aus 18 Metern, die unhaltbar im linken Dreiangel der Mahlsdorfer einschlug. Glückseligkeit in Block E, auch wenn die Bäume durch einige Unverbesserliche („Und ihr macht unsern Wald kaputt!“) längst in Richtung Tartanbahn entsorgt worden waren. Und fast wäre es bei der Punkteteilung geblieben, mit der sicher alle zufrieden gewesen wären. Wäre diese eine Unachtsamkeit im Anschluss an eine Mahlsdorfer Ecke nicht gewesen, in deren Folge Burmeister ziemlich unbedrängt zum Kopfball kam und den Dreier für „Lilaweiß“ klarmachte.

Schade. Damit es jetzt nicht doch noch eng wird, sollte langsam doch mal wieder ein Sieg her. Die kommenden beiden Partien wären ideal dafür, sind Rudow als auch die grundsätzlich sympathischen Hermsdorfer doch zum einen schlagbar und zum anderen auch aus der unmittelbaren Tabellennachbarschaft. Rudow, das hinten normalerweise nicht viel anbrennen lässt, kam am Wochenende bei den ohne ihren Top-Goalgetter angetretenen Frohnauern mit 6:3 unter die Räder. Ob man sie eher demoralisiert oder mit Wut im Bauch im Mommse erleben wird, wird sich zeigen. Schlagbar sind sie jedenfalls, wie wir aus dem Hinspiel wissen.

Grund genug also, am kommenden Sonntag ins dann vermutlich zwar wieder deprimierend baumlose Mommse zu pilgern, aber vielleicht wird man ja durch Tore und Punkte entschädigt. Anpfiff der Partie ist um 14 Uhr. Wir drücken alle Daumen. Sicherheitshalber schon mal vorab für die kommenden Wochen, weil wir mal sehen müssen, ob wir in dieser Zeit dazu kommen werden, unseren Senf hier abzugehen – gibt ja manchmal auch noch andere weniger erbauliche Dinge im Leben außer Fußi. Für den Fall, dass von dieser Stelle keine Instruktionen mehr erfolgen sollten, merkt euch also ruhig schon mal vor:

22.04 TeBe vs. Rudow
29.04 TeBe in Hermsdorf
01.05 TeBe aufm Myfest
04.05 TeBe vs. Staaken
09.05 TeBe im Treptower Park (Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus)

P.S. Ein fettes Dankeschön an alle, die aus Anlass von deren Besuch im Mommse für den MTZ Ripo gespendet haben! Viel Glück den Supporter_innen beim Kampf um die Zukunft ihres Clubs und seiner tollen Fanszene!

P.P.S. Wer’s noch nicht gesehen hat: Auch auf tebe.de gibt’s wieder tolle Impressionen vom Spiel!