One team in Berlin, two teams in Eichkamp, three goals in a half-time

Dank des Zensus ist eindeutig erwiesen: Berlin hat nicht nur weniger Einwohner als bislang angenommen, sondern auch die Zahl der Fußballclubs muss deutlich nach unten korrigiert werden. In konkreten Zahlen bedeutet dies:

Fachleuten der Materie war dieses Faktum ja schon lange kein Geheimnis, es wird auch mittels Gesängen und Textilaufdrucken fleißig kommuniziert, aber mit der Aufklärung hierzulande ist das ja immer so eine Sache. Jene Fachleute jedenfalls versammelten sich heute in der Julius-Hirsch-Sportanlage, wo das einzige Berliner Team zum Auswärtsspiel im Eichkamp antrat. Denn, auch wenn das vielleicht nach einem Paradoxon klingt – der Eichkamp beheimatet im Gegensatz zu Berlin gleich mehrere (obendrein hochsympathische) Clubs. Zwei davon trafen heute im Derby aufeinander.

Die verrückte Ausgangsposition vor der Partie kann nicht oft genug betont werden: Zwei Spieltage vor Saisonende plus Nachholspiel ist für TeBe theoretisch noch jede Platzierung zwischen Platz 3 (!) und 16 möglich. Wobei ersteres deutlich theoretischerer Natur ist als der drohende worst case, nämlich der Abstieg in die Siebtklassigkeit. Insofern benötigt Tennis noch dringend Punkte, um jenen worst case abzuwenden.

Davon, dass dies auch den Spielern bewusst ist, spürt man in Abschnitt eins nur relativ wenig, denn das Aufsteigerteam von Makkabi, für das es tatsächlich nur noch um die goldene Ananas geht, wirkt zunächst deutlich motivierter. Etwas überraschend nach der wohl recht müden Vorstellung gegen Türkiyem am Wochenende, aber möglicherweise auch in Zusammenhang stehend mit der Tatsache, dass Makkabi nach Saisonende den Trainer wechseln wird und der eine oder andere Spieler sich für den Neuen empfehlen will. Vielleicht auch einem der zahlreich erschienenen Übungsleiter der Konkurrenz, die den spielfreien Mittwoch zu einer Stippvisite in den Eichkamp nutzen.

Derartigen Ehrgeiz kann man bei den TeBe-Akteuren selbst mit gutem Willen kaum erkennen. Die aufgrund der offensiven Grundordnung relativ entblößte Verteidigung schwimmt bei jedem Angriff der Gastgeber, und so sind drei Gegentreffer nach einer halben Stunde mehr als folgerechtig. Im Spiel nach vorne zeigt man sich nicht wirklich ideenreich, hat zugegeben aber auch etwas Pech im Abschluss. Besser ist man lediglich mal wieder im Sammeln von Verwarnungen.

In Abschnitt zwei dann ein völlig anderes Bild. Makkabi schaltet zurück, während TeBe wie ausgewechselt aus der Kabine kommt, von Anfang an engagierter in die Zweikämpfe geht. Und dann geschieht ungefähr das, was im Länderspiel Deutschland gegen Schweden im vergangenen Winter geschah: Ein vermeintlich entschiedenes Spiel kippt noch einmal, weil der vermeintliche Sieger die Zügel aus der Hand gibt und viel zu spät realisiert, dass man den Gegner unnötig stark gemacht hat. Nach den Anschlusstreffern durch Isik und Scholl jedenfalls wirkt die Hintermannschaft Makkabis alles andere als sattelfest und so kommt TeBe immer wieder zu Möglichkeiten, doch mangelnde Abgeklärtheit und einmal die Latte verhindern den Ausgleich.

Fast sieht es dennoch so aus, als würde Makkabi mit einem blauen Auge davonkommen, da sanktioniert der Schiedsrichter, für viele überraschend, ein gefährliches Spiel der Gastgeber mit einem indirekten Freistoß aus etwa 15 Metern, das Ganze in der allerletzten Minute der Nachspielzeit. Und dann geschieht tatsächlich das Unglaubliche: TeBe legt sich den Ball zurecht, es folgen zunächst endlose Diskussionen über den korrekten Abstand der Mauer, der Schiri gibt den Ball frei, Scholl tippt an, Kirsche zieht ab, der Ball segelt durch die vielbeinige Abwehr und … – schlägt tatsächlich flach in der langen Ecke des Makkabi-Kastens ein. Wahnsinn.

Danach direkt Abpfiff und natürlich glückselige Fassungslosigkeit beim TeBe-Anhang und die Welle mit dem Team. Und gleichzeitig gemischte Gefühle bei so manchem: Soll man der Mannschaft nur aufgrund dieses doch etwas glücklichen Ausgleichstreffers diese desaströse erste Halbzeit wirklich verzeihen? Oder ist man ihr dankbar für eine Aufholjagd, die nach 45 Minuten wirklich niemand mehr für möglich gehalten hätte? Wir entscheiden uns mal für Zweiteres und hoffen, dass die gemeinsamen Glücksgefühle Energien für kommenden Sonntag freisetzen. Da nämlich tritt the one team in Berlin am Kreuzberg an, um den Klassenerhalt hoffentlich, hoffentlich endgültig unter Dach und Fach zu bringen. Ab zehn Uhr wird im Viktoriapark gemeinsam gefrühstückt und sich warmgefeiert – seid dabei!

Nachtrag eins: Am Samstag können die Sterne dafür sorgen, dass der derzeit verdammt starke TSV Rudow uns nicht mehr einholen kann. Wer lieber auf Nummer sicher geht und am Wochenende gleich zweifach was für den Klassenerhalt tun will: Hingehn! Wer dabei noch seine Wunschmusik hören will: Bescheid geben!

Nachtrag zwei: Wie die meisten schon mitbekommen haben, hatten wir zum Spiel gegen Stern 1900 nicht nur Besuch von den extrem coolen Fans des FC United of Manchester, sondern auch von bundesligalounge.com-Reportern. Ihre Eindrücke fassen sie in einem wirklich grandiosen Podcast zusammen. Unbedingt anhören!

Nachtrag drei: Auf diesem Weg auch noch tausend Dank für die tolle Gastfreundschaft des Makkabi Casinos gestern, die zum tollen Ausklang des Abends wesentlich beitrug. Makkabi chai!

Nachtrag vier: Bilder vom Onkel hinzugefügt! (Das Kuttenbild ganz oben ist übrigens von Skatja!)