Rösler – Wöpke – Stolle – Grunenberg: Abstieg mit Ansage

Seit gestern abend steht es also auch rechnerisch fest: TeBe hat die Chance vertan, als geschlechterübergreifend einziger Vertreter Berlins in der kommenden Saison einen Fußballbundesligisten zu stellen. Glücklicherweise jedoch hat man sich nur für ein Jahr verabschiedet, denn wie Trainer Grunenberg auf der PK trotzig ankündigte, werde TeBe schon 2011 wieder in der Eliteliga spielen. Eine Prognose, die wohl ähnlich ernstzunehmen ist wie die inhaltsleeren Durchhalteparolen der vergangenen Wochen, als Grunenberg immer wieder behauptete, er habe gar keinen Zweifel daran, dass man den Klassenerhalt noch schaffen werde.

Weitaus substanzieller, realistischer und vor allem unterhaltsamer als die hilflose und nicht nur akustisch schwer verständliche Analyse Grunenbergs geriet das Fazit von „Mr. Frauenfußball“ Bernd Schröder, der launig feststellte, dass er sich zwar immer freue, TeBe in der Bundesliga zu sehen, eine Truppe wie die, die gestern in lilaweiß auflief, dort aber schlichtweg nichts nichts verloren habe. Eine schallendere Ohrfeige an die Adresse eines Trainerkollegen hat es auf einer Fußballpressekonferenz, auf denen man sich für gewöhnlich gegenseitig Honig um den Mund schmiert, wohl selten gegeben. Und diese Ohrfeige war ein weiterer Beleg dafür, wie sehr sich TeBe unter seiner derzeitigen Führung mittlerweile zum absoluten Gespött innerhalb der Frauenfußballszene entwickelt hat. Gegen Ende seines Statements setzte Schröder sogar noch eins drauf, als er TeBe alles Gute für die Zukunft wünschte und sich in diesem Zusammenhang mit den ermunternden Worten „nicht aufgeben, immer weiterkämpfen!“ direkt an den, wie Schröder es nannte, „Oppositionstisch“ wandte, an dem zahlreiche geschasste Funktionsträgerinnen und suspendierte Spielerinnen saßen. Eine Äußerung, die für viel Heiterkeit unter den Anwesenden sorgte, der Gesichtsfarbe der Herren Rösler und Grunenberg aber sichtlich nicht zuträglich war…

Über die fachliche Qualifikation jener durch Schröder abgewatschten sportlichen Führung hatten sich die TeBe-Anhänger bereits im Anschluss an den Saisonauftakt gegen Bad Neuenahr einen erschreckenden Eindruck verschaffen dürfen. Alexander Stolle, designierter Nachfolger von Erhard Rösler, dem amtierenden Rücktrittsankündigungsweltmeister, hatte sich damals als junger Wilder des Fördervereins einer Diskussion mit den Anhängern gestellt und im Zuge dieser ungefähr im Zweiminutentakt darauf hingewiesen, dass er ja bereits seit Jahren „glühender Anhänger“ der TeBe-Frauen sei. Dumm nur, dass er im Laufe der Diskussion dann sogar die mitdiskutierende Jessica Brückner nach ihrem Vornamen fragen musste – jene TeBe-Spielerin also, die seit mittlerweile elf Jahren ununterbrochen für TeBe aufläuft, immer eine der absoluten Leistungsträgerinnen war und deren Name Woche für Woche in den Spielberichten und Aufstellungen der FuWo nachzulesen ist. Es war nur eine von zahlreichen beschämenden Wissenslücken, die Stolle an diesem Abend offenbarte, aber es war eine besonders bezeichnende für die Kombination aus billigster Heuchelei und völliger Kompetenzlosigkeit, welche da neuerdings das Steuer des frischgebackenen Bundesligisten an sich gerissen hatte, auf Kosten der geachteten Frauenfußballinstitution Gaby Wahnschaffe.

Erfahren von deren Entlassung hatten die schockierten TeBe-Anhänger drei Tage vor dem Auftaktspiel – auf einem Fantreffen, für das eigentlich Gaby Wahnschaffe selber angekündigt gewesen war. Anstelle eines der traditionell spannenden Talks mit Wahnschaffe gab es dort jedoch lediglich die selbstzufriedene Show zweier alter Herren, die verkündeten, dass sie „leider gezwungen gewesen“ seien, Frau Wahnschaffe von sämtlichen Aufgaben zu entbinden. Stichhaltige Gründe für diesen Schritt blieben sie den Fans komplett schuldig, stattdessen sprach man mit betroffenem Timbre in der Stimme immer wieder von „schwersten menschlichen Verfehlungen“, welche diesen Schritt absolut unausweichlich gemacht hätten. Man bat um Verständnis dafür, dass man „aus Respekt vor Frau Wahnschaffe und zur Wahrung ihres Ansehens“ nicht weiter ins Detail gehen könne. Aber ohnehin, so befand Stefan Wöpke und wechselte von Sorgenmiene auf Weihnachtsmanngesichtsausdruck, sei es doch viel spannender, „nach vorn zu schauen und über den Sport zu reden“, wo mit der Entlassung Wahnschaffes nun alle Konfliktherde beseitigt und beste Voraussetzungen für den Klassenerhalt geschaffen worden seien. Diese Show war so unglaublich schlecht, dass bereits zu diesem Zeitpunkt nahezu jeder im Raum spürte: Diese Saison kann nur ganz gewaltig in die Hosen gehen.

Viele der TeBe-Fans hatten der Bundesligarückkehr bis dahin euphorisch entgegengefiebert, doch mit diesem Paukenschlag brach ein Großteil der Vorfreude bereits komplett in sich zusammen. Von Ruhe war während der folgenden Wochen nichts zu spüren, denn erwartungsgemäß erschütterte der stillose Rauswurf die komplette Abteilung über Monate hinweg. Gleichzeitig waren die nebulösen Andeutungen über Wahnschaffes angeblich so schwerwiegende Verfehlungen Nährboden für die wildesten Spekulationen, die schließlich sogar in der Behauptung gipfelten, Wahnschaffe habe Gelder veruntreut.

Welches der tatsächliche Auslöser für Wahnschaffes Rauswurf war und was sich hinter den vielbeschworenen Verfehlungen verbarg, kam dann gegen den Willen der Herren doch relativ schnell heraus: Sie hatte auf einer Sitzung mit dem Fördervereinsvorstand eher beiläufig angesprochen, dass Spielerinnen der Mannschaft das Verhalten des Co-Trainers in mehreren Situationen als unangenehm bzw. aufdringlich empfunden und sich mit diesem Problem an die Abteilungsleiterin gewandt hatten. In einer jener Situationen beispielsweise sei dieser Trainer, obwohl er die Gelegenheit gehabt hätte, im Männertrakt zu duschen, zu den Frauen in die Kabine gekommen und habe dort geduscht, ohne dass die anwesenden Spielerinnen dazu in irgendeiner Form ein Zeichen ihres Einverständnisses gegeben hätten.

Ganz gleich, ob man ein derartiges Verhalten des Co-Trainers bereits als sexuelle Belästigung klassifiziert oder nicht: Zumindest als problematisch muss man dieses Verhalten bezeichnen, speziell wenn es im Rahmen eines Autoritätsverhältnisses stattfindet. Und man sollte normalerweise erwarten, dass Verantwortliche, die Kenntnis von einem solchen mehrfach an den Tag gelegten Verhalten durch einen ihrer Angestellten erlangen, diese Problematik ebenfalls erkennen und zumindest dafür sorgen, dass der Übungsleiter sein Verhalten ändert. Wären die Herren zu einem derartigen Konfliktmanagement in der Lage gewesen, so hätte sicherlich die Chance bestanden, das Problem unkompliziert und ohne personelle Konsequenzen aus der Welt zu schaffen.

Doch bei TeBe ticken die Uhren derzeit eben anders, was einen nicht wundert, wenn man an diverse chauvinistische Sprüche über die TeBe-Spielerinnen denkt, die der eine oder andere Herr nach dem einen oder andern Casino-Bier gerne mal vom Stapel lässt. Dass das von Wahnschaffe thematisierte Verhalten des Co-Trainers jedenfalls nicht ansatzweise als fragwürdig erachtet wurde, durfte man schon fast befürchten. Es blieb jedoch nicht bei einem Ignorieren der Problematik – vielmehr drehte der Fördervereinvorstand den Spieß sogar um und machte Wahnschaffe zur Täterin, Brunnenvergifterin, Nestbeschmutzerin, Rufmörderin. Der Trainer wurde noch am selben Nachmittag darüber informiert, dass Wahnschaffe angeblich eine „Schmutzkampagne“ gegen ihn fahre, woraufhin selbiger eine Entschuldigung durch Wahnschaffe verlangte.

Wie bereitwillig der Stab über Wahnschaffe gebrochen wurde, ohne sich überhaupt nur ansatzweise mit der Situation auseinanderzusetzen, bewies dann einmal mehr Alexander Stolle, als er auf einem Fantreffen den Vorfall zur Nichtigkeit herunterspielte und die Konsequenzen gegen Wahnschaffe verteidigte, dabei aber eigentlich nichts über die Situation wusste, nicht einmal, dass sie sich nicht in Gütersloh, sondern in Berlin abgespielt hatte. Ohnehin sei die Aufregung völlig unangebracht, denn ansonsten müsse er sich, wenn er beim Zappen „die nackten Mädels im DSF-Nachtprogramm sähe, ja auch ständig belästigt fühlen.“

Interessant ist es, diese dreiste Igonoranz gegenüber dem Unbehagen einzelner Spielerinnen einmal in den Kontext einer bereits einige Jahre zurückliegenden Trainerentlassung bei den Männern zu stellen. Damals waren die Vorwurfsmomente, die letztlich zur Trennung von diesem Trainer führten, deutlich weniger konkret als im Fall der oben geschilderten Duschsituation. Ein Mitglied des dreiköpfigen Vorstandes, welcher seinerzeit die Entlassung beschloss, hieß Erhard Rösler. Weshalb er damals eine Entscheidung mittrug, die der „Anklage“ folgte, im Fall des Verhaltens der Frauentrainers aber zu hundert Prozent Partei für den „Angeklagten“ ergriff und diese Geschichte sogar dazu nutzte, die Überbringerin der Nachricht zu schassen, wäre einmal interessant zu erfragen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass da jemand für grenzüberschreitendes Verhalten von Männern gegenüber Frauen unangebracht viel Verständnis aufbringt, während ein Verhalten, bei dem der schlimme „Verdacht“ gleichgeschlechtlicher Präferenzen im Raum steht, als absolut nicht tolerierbar betrachtet und dementsprechend scharf sanktioniert wird. Doch auch, wenn sich man derartigen Spekulationen über die Gründe für unterschiedlich angelegte Maßstäbe nicht anschließen mag, bleibt die Entlassung Wahnschaffes vor dem Hintergrund dieser Geschichte schlichtweg ein Skandal, wie man ihn bei TeBe selten erlebt hat und der nach wie vor einer Aufarbeitung bedarf.

Abgesehen von der Dreistigkeit eines Fördervereins, über Personalien eines eingetragenen Vereins zu entscheiden (und der Tatsache, dass der aktuelle Vereinsvorstand derartige Dreistigkeiten einfach geschehen lässt), soll an dieser Stelle einmal mit der weit verbreiteten Legende aufgeräumt werden, es habe keine Alternative zur Entlassung Wahnschaffes bestanden, da der Hauptsponsor, wie Erhard Rösler mehrfach behauptete, deren Entlassung verlangt habe. Dazu ist klipp und klar festzustellten, dass die Einnahmen aus dem Vertrag mit dem Trikotsponsor, den Rösler und Wöpke gerne als Hauptsponsor bezeichnen, in der laufenden Spielzeit von Insidern mit etwa 6% beziffert werden. Der mit Abstand größten Posten des Etats hingegen machen die durch den DFB an die Clubs ausgeschütteten TV-Gelder aus. Sollte es also seitens des Trikotsponsors tatsächlich klare Anweisungen an den Förderverein hinsichtlich der Personalpolitik gegeben haben, dann hätte die einzig vertretbare Konsequenz daraus nur lauten können, sich dieser versuchten Einflussnahme auf gar keinen Fall zu beugen und den Verlust dieses Sponsors in Kauf zu nehmen. Zumal dem Club im Falle eines Festhaltens an Wahnschaffe viele vermeidbare Ausgaben erspart geblieben wären, wie aus der Abteilung berichtet wird und es als Bundesligist sicherlich möglich gewesen wäre, einen Trikotsponsor mit einem Sponsoringvolumen im untersten fünfstelligen Bereich zu finden, gerade in Hinblick darauf, dass in diesem Land eine Fußball-WM vor der Tür steht.

Dass hier nochmal eine „Aufwärmung alter Kamellen“ stattfindet und nicht etwa ein detaillierter Saisonrückblick, hat damit zu tun, dass der Scherbenhaufen, vor dem TeBe jetzt steht, bereits von Anfang an vorprogrammiert war. Man hat nicht etwa einfach eine Person entsorgt, weil diese eigenen Ambitionen im Wege stand, sondern, und das hat der Förderverein damals nicht einmal kapiert, das Herzstück einer gemessen an den bescheidenen Startbedingungen gut funktionierenden Infrastruktur völlig ohne Not zerschlagen. Und das Ende des Niedergangs ist noch lange nicht erreicht. Teile der Frauenabteilung werden den Verein möglicherweise zur neuen Saison verlassen, was nicht nur menschlich einen schweren Verlust darstellen würde, sondern auch die Lizensierung in Gefahr bringen kann – zumindest zweiteres dürfte sogar die Herren Rösler, Wöpke und Stolle tangieren. Der Aderlass, den die Abteilung seit der Schassung Wahnschaffes erlitten hat, wird jedenfalls auf Dauer nicht zu verkraften sein, zumal der Amoklauf der Herrenriege unvermindert anhält, denn auch der im Dezember zum Nachfolfer Wahnschaffes gewählte Oliver Ronneberger wurde mittlerweile durch den Förderverein entmachtet, unterstützt durch Mario Weinkauf…

Was das sportliche Schicksal der Mannschaft anbelangt, so wurde dieses gewissermaßen auch mit der Abteilungsversammlung besiegelt Die Tatsache, dass vier Spielerinnen nicht dabei mithalfen, die Wahl Ronnebergers zu verhindern und der Versammlung stattdessen fernblieben, hatte deren Suspendierung zur Folge – nur wenige Tage vor dem richtungsweisenden Auswärtsspiel beim Hamburger SV kam das einem sportlichen Selbstmord gleich, vom unwürdigen Umgang mit eingefleischten Borussinnnen ganz zu schweigen. Im Winter investierte TeBe noch einmal viel Geld, um die Suspendierungen zu kompenisieren – vergeblich. Zwischen dem Hinspiel in Potsdam (u.a. mit einer überragenden Annissa Holzhaus) und dem gestrigen Schlachtfest lagen Welten. Bilanz seit der Suspendierung der vier Spielerinnen: Neun Spiele, neun (teils desaströse) Niederlagen. Noch Fragen, Kienzle?

Wer auch immer den Slogan erfunden hat, Frauenfußball sei sympathisch – TeBe hat während der vergangenen Monate bewiesen, dass es auch anders geht. Unsympathischer als TeBe 2009/2010 kann man sich als Club nicht darstellen, die Quittung dafür erhielt man nicht zuletzt auch auf den Rängen. Dass man keine Massen zu den Bundesligaspielen erwarten durfte, das wusste jeder. Dass das Mommse trotz des Aufstiegs und Gegnern mit prominenten Spielerinnen in den Reihen mitunter leerer war als zu Zweitligazeiten, die Tatsache, dass das familiäre Flair seit dem Putsch des Fördervereins komplett verloren gegangen ist und dass viele seit Jahren vertraute Gesichter nicht mehr erscheinen, das sollte den Verantwortungsträgern – wenn sie denn des Reflektierens mächtig wären – zu denken geben. Eigentlich kann man das, was sich bei TeBe unter der Regie der greisen Männer abspielt, schon lange nicht mehr Frauenfußball nennen. Und das nicht, weil Rösler, Wöpke und Co. nicht mehr die Jüngsten sind, auch nicht weil sie Männer sind – sondern weil sie sich nie für den Frauenfußball interessierten, bis sie die Chance sahen, auf dem Rücken der Abteilung ihre Eitelkeiten ohne Rücksicht auf Verluste auszuleben und dafür Persönlichkeiten opferten, die den Frauenfußball gelebt haben, deren Leidenschaft er war und immer bleiben wird. Der Frauenfußball bei TeBe ist schlichtweg seelenlos geworden, und solange das so bleibt, kann man davon ausgehen, dass sich der Absturz ungebremst fortsetzen wird. bis wir unseren ungläubig staunenden Enkelkindern einmal erzählen werden, dass TeBe tatsächlich einmal die Berliner Nummer eins im Frauenfußball war. Es wird Zeit, diesen Amoklauf endlich zu stoppen…