It’s cool, man

Wem beim ersten andeutungsweise frühlingshaften Sonntag nix Besseres einfällt als ein Flohmarktbesuch, der/die hat selber schuld. Kann man sich doch drauf verlassen, dass man diese grandiose Idee mit etwa halb Berlin teilt. Und obendrein noch mit ganz Mitte und Prenzlauer Berg, wenn man sich für den Markt an der Bernauer Straße entscheidet.

Aber da ich noch ein Geschenk und außerdem etwas Ablenkung vom gestrigen „Fußball“erlebnis brauche, mache ich mich auf den Weg. Und lasse mich im Stop and Go vorbeschieben an den Ständen zwischen Mauersegler und Jahnsportpark. Blöd nur, dass man vor lauter Mensch kaum was von den Ständen mitbekommt und sich die Sinneseindrücke in erster Linie auf den Zigarettenqualm des Vordermanns und die Fernbeziehungsproblemerörterung der beiden Mädels hinter einem beschränken.

Egal, bin ja nur zum Vergessen des Scheißspiels von gestern hier. Doch gerade, als das annähernd gelungen ist, schnappen meine Ohren auf, wie jemand hinter mir die Worte „Tennis Borussia“ spricht. War das so traumatisch gestern, dass ich jetzt schon Stimmen höre? Real kann das ja kaum gewesen sein, denn die Wörter „Tennis“ und Borussia“ hintereinander und in dieser Reihenfolge ausgesprochen deuten in aller Regel darauf, dass von TeBe die Rede ist. Und von TeBe ist in Berlin so gut wie nie die Rede, schon gar nicht an der Grenze zwischen Mitte und Prenzlauer Berg. Ausgeschlossen, denke ich mir und höre just in diesem Moment eine zweite Stimme fragen: „Echt, ihr wart bei TeBe gestern? Wo spielen die, im Mommsenstadion? Wie war’s denn?“ – „Hat Spaß gemacht, war echt cool!“ daraufhin die erste Stimme. Kurz umgedreht, um zu schauen, wem diese Stimmen wohl gehören mögen. Sie gehören drei Typen so Mitte zwanzig, die irgendwie aussehen, wie man sich den prototypischen 11 Freunde-Leser vorstellt. Betont casual, mit dicker Brille und Sportfreunde Stiller-Frisuren.

Ziemlich doof, dass die drei in diesem Moment in einen Menschenstrom geraten, der sie in eine komplett andere Richtung abdriften lässt als mich. Und so gewinnt die Fernbeziehungsproblemerörterung der beiden Mädels hinter mir wieder akustisch die Oberhand, während ich mit der Frage alleingelassen werde, was in aller Welt am gestrigen Sonnabend „cool“ gewesen sein könnte im Mommse, wenn man nicht gerade wegen Trabzon dort war.

So sehr ich auch grüble und alles durchchecke, ich komme auf keine schlüssige Antwort. Temperaturen: frühlingshaft, sprich uncool. Anstoßzeit: Zu früh, daher uncool. S-Bahn-Züge, die ohne Zwischenstop von Westkreuz nach Olympiastadion brettern: Uncool. Begegnungen mit Erna-Scum am Westkreuz: Uncool. Ausgang des Erna-Spiels im Olympiastadion: Uncool. TeBe-Support im Mommse: Uncool (korrigiere: nicht vorhanden.) Darbietungen des TeBe-Teams: Uncool. Endergebnis: Uncool. Das Gewinnerteam: Uncool.

Kurzum, der Samstag im Mommse war so uncool, wie er uncooler eigentlich gar nicht hätte sein können. Es war eine grausige Darbietung des TeBe-Teams, die schon fast an den ersten Abschnitt der Hinrunde erinnerte. Weder die Anhängerschaft noch Markus Schatte auf der PK konnten sich die unterirdische Leistung des Teams erklären. Das Gegentor nach einer halben Stunde war ärgerlich und vermeidbar, aber viel schlimmer war, dass es der Truppe über die komplette Spielzeit nicht gelang, sich auch nur eine einzige zwingende Tormöglichkeit zu erspielen. Und sie war so leise, dass man ernsthaft annehmen musste, dass das kuriose neue Schild im Innenraum des Mommse (s.u.) seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Langeweile pur für alle, die sichd ansehen mussten, und Ratlosigkeit pur auf dem Rasen, und das gegen den Tabellenletzten. Dabei hätte man spätestens nach dessen Sieg gegen Hertha 03 aus der Vorwoche gewarnt sein müssen. Es war, das muss man einräumen, nicht ungeschickt, wie die Neuköllner ihre Führung verteidigten und so ging deren Sieg schlussendlich auch völlig in Ordnung.

ruhe!

Somit stehen in 2012 bislang zwei Siege und zwei Niederlagen zu Buche. Kann man sicher grundsätzlich mit leben, nur stehen jetzt mehrere Spiele gegen Topteams der Liga auf dem Programm. Und ärgerlich ist auch, dass man ausgerechnet gegen zwei Clubs verlor, denen das nicht wirklich zu gönnen ist. Was die Fallsucht diverser Trabzonspieler während des Spieles anbelangt: Geschenkt, solche Kandidaten gab es bei TeBe während der vergangenen Jahre auch zuhauf. Wesentlich peinlicher war da schon das Rumgemackere vor dem Heimblock, sowohl im Anschluss an den Führungstreffer als auch nach Abpfiff. Ging einfach mal gar nicht, und insofern ist es ärgerlich, dass Tennis die Punkte ausgerechnet gegen diesen Gegner ähnlich widerstandslos herschenkte, wie das Werder Bremen zwei Kilometer weiter an diesem Nachmittag ebenfalls tat.

Die anderen drei Punkte hatte TeBe sechs Tage zuvor dem Berliner SC überlassen. Der in der Vergangenheit eigentlich immer halbwegs sympathisch rüberkam, aber in letzter Zeit ein bisschen am Rad zu drehen scheint. Nach diversen Peinlichkeiten rund um das Pokalspiel der vergangenen Saison besaß man diesmal soviel Humor, das Spiel gegen TeBe (Tabellenelfter!!!) mit einem „Topzuschlag“ zu belegen. Auf verdutzte Nachfragen wurde selbiger mit den angeblich horrenden Preisen im Mommsenstadion gerechtfertigt.

Eine recht fragwürdige Argumentation, denn die sieben bzw. fünf Euronen im Mommse gelten zu jedem Spiel und werden nicht nur dann erhoben, wenn ein Gegner mit großem Anhang erwartet wird. Noch kurioser wird die Argumentation vor dem Hintergrund, dass der BSC nicht einmal die gleichen Preise wie TeBe im Hinspiel nahm, sondern noch was draufschlug. Auch ohne überdachte Tribünensitzplätze, Beschallung, Anzeigetafel, gastronomische Verpflegung etc. All das könnte man sicher ausgiebig diskutieren – jedoch nicht im Gästebuch des BSC. Denn im Sinne einer, Zitat, „sauberen Sportseite“ werden dort nicht nur diskriminerende Einträge (sinnvollerweise) nicht freigeschaltet, sondern auch sachlich formulierte Kritik (bis auf eine einzige) wird unterschlagen. Ganz arm, BSC! Nicht wundern, wenn der Gästeblock im nächsten Jahr leer bleibt.

Aber neben diesen beiden nicht nur sportlichen Negativerfahrungen gab es zum Glück ja auch zwei Erfolgserlebnisse zu verbuchen. Das eine sehr glücklich gegen den Adlershofer BC mit dem Last-Minute-Siegtreffer, aber genau in diesem Spiel wurde eine Mentalität an den Tag gelegt, die gegen Trabzon fehlte, und diese wurde am Ende dann auch belohnt, was auch eine Entschädigung für die bitteren späten Gegentore im Hinspiel bedeutete. Und eine ausgelassene Siegesparty zur Folge hatte. Bemerkenswert: Trotz katastrophaler Platzbedingungen und Holperrasen brachte man kombinatorisch immer noch mehr zustande als Samstag gegen die Gäste aus Neukölln.

Platzbedingungen – ein Kapitel für sich. Wieviele Spielausfälle gab es eigentlich schon seit Jahreswechsel? Habe nicht gezählt, aber es waren mal wieder mal als genug. Irgendwann konnte selbst der jahrelang alles in bester Helmut-Kohl-Manier aussitzende Mommsenrasen dem öffentlichen Druck/der medialen Hetzjagd nicht mehr standhalten konnte und warf die Brocken hin:

http://fussballvonlinks.blogsport.de/2012/02/18/ruecktritt-nach-wiederholter-spielabsage/

Was allerdings keineswegs zur Entschärfung der Problematik beitragen konnte. Im Gegenteil, vergangene Woche hatte die Rasenkrise eine ganz besondere Posse zur Folge: Das Spiel gegen den Frohnauer SC wurde am Dienstag abgesagt, fand dann am Mittwoch aber ganz plötzlich und kurzfristig doch statt. Auf Weisung von – wo wir gerade von Unsympathen sprechen – Bernd Wusterhausen, der TeBe spontan dazu verdonnerte, das Spiel auf dem gar nicht als Ausweichplatz angemeldeten Platz 3 am Kühlen Weg auszutragen. Laut Satzung darf er das, bescheuert ist es dennoch. Manche hatten sich den Mittwoch extra freigehalten und infolge der Absage dann notgedrungen ein Alternativprogramm durchgezogen. Als sie von diesem zurückkehrten und vorm Einnicken nochmal ins Netz gingen, erfuhren sie, dass TeBe das nicht stattgefundene Spiel mit 4:2 gewonnen hatte. Lachen oder Weinen? Viele jedenfalls verpassten das Spiel und entsprechend trist soll die Atmosphäre am Coolen, ähm, Kühlen Weg gewesen sein, aber sportlich war es laut Augenzeugen das Highlight der bisherigen vier Spiele.

Insofern bleibt zu hoffen, dass die Mannschaft an diese Leistung anknüpfen wird, wenn es nun gegen mehrere Topteams der Liga zu bestehen gilt. Am Samstag geht es zunächst ins Zoschke nach Lichtenberg (Anpfiff bereits um 13 Uhr!). Ein Muss nicht nur aufgrund des sicherlich spannendsten Awaygrounds der Liga, sondern auch aufgrund der Exkursion der erst kürzlich angebrachten Gedenktafel zugunsten der drei Berlinerinnen, die Hans Rosenthal zwischen 1943 und ’45 in einer Gartenlaube vor den Nazis versteckten. Wer dabei sein möchte: 11:30 Uhr, Frankfurter Allee, Haltestelle der Tram M13 (in der Möllendorfstraße).

rosenthal

Und auch schon mal vormerken: Am 24.3. wollen NPD und freie Kameradschaften in Frankfurt aufmarschieren. Wie frei und ungehindert Nazis dort agieren können, durften die TeBe-Fans Ende Dezember am eigenen Leib erfahren, als sie beim Krombacher Hallencup angegriffen wurden. Nun gilt es diejenigen, die sich im Anschluss an diesen Vorfall solidarisch mit uns gezeigt haben und vor Ort viel Engagement im Kampf gegen Nazis aufbringen, zu unterstützen. Wenn ihr es irgendwie einrichten könnt, seid dabei!

ffo

Ansonsten solltet ihr auch schon mal den Kauf des Magazins „Nordvier“ vormerken, denn das wartet diesmal sehr umfangreich mit dem Thema TeBe auf:

nordvier

Vielleicht ist das Mag auch was für die drei Jungs vom Mauerpark-Flohmarkt. Oder vielleicht googeln sie ja auch „Tennis Borussia“ & „cool“ und stoßen dabei auf diesen Artikel. In dem Fall dürfen sie gerne das Rätsel auflösen, was sie denn am vergangenen schrecklichen Samstag cool fanden. Aber egal, was es war – immer wieder tröstlich, dass TeBe noch so desaströs kicken und der Support an manchen Tagen noch so lausig sein kann, und dennoch gefällt es dem einen oder anderen, der zufällig vorbeischaut, im Mommse. Noch viel cooler allerdings wird das Ganze, wenn nebenbei auch noch ein paar Tore zu feiern und Punkte mitzunehmen sind – vielleicht ja schon am Samstag im Zoschke. In diesem Sinne, auf nach Lichtenberg!