Die Hauptstadtkolumne im Tödlichen Pass

Heft 34/Januar ´04

Überwintern auf 17. Notizen aus der Fußballprovinz

„Everybody put their socks up,
everybody had a hard year”
(März, Love Streams, Kompakt/Indigo, 2002)

„Hertha spielt heute nich’ – da müssen wir uns wenigstens nich’ ärgern, wa“ ruft der freundliche Zeitungshändler in Olympiastadionnähe seinen Kunden zu und entlässt sie in einen zugigen winter of discontent. Allseitiges Pfeifen im Tabellenkeller (Tennis Borussia hier einmal ausgenommen), und dies – ausweislich der Platzierung zur Winterpause – auf dem vorletzten Loch. Die Suche im hauptstädtischen Fußballkrisengebiet konzentriert sich, wie könnte es anders sein, auf die Spezies des „Typen“. Nachdem Typen wie Bobic oder Kovac sich auf dem Platz nicht als solche entpuppten, geraten die spielfeldnahen Sitzplätze – der Natur der Branche gemäß – in den Mittelpunkt. Allein Union trotzt am Ende eines annus horribilis dem Trend – auf Platz 17 nach 17 in 17 Spielen erzielten Toren: kein Typ, nirgends.

Der Berliner AK 07 (Platz 17 in der Oberliga) hat den Anfang bei einer Art vorweihnachtlicher Epiphanie der Trainer gemacht: Uli Borowka is back und wird den Verein, wie einst in der Saison 2000/01, nach sensationeller Aufholjagd vor dem Abstieg retten. Kein Problem, sollte man meinen, denn der Mann verfügt über mannigfaltige Erfahrung in Krisensituationen und ist zudem international ausgewiesen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die mit den Dimple Minds eingespielte Maxi Barfuß oder Lackschuh (vgl. Der tödliche Paß, Nr. 12). Ob Bruder Dieter und Tante Hertha hier nicht eine Chance verpasst haben?

Die Frage nach dem Schuhwerk für´s internationale Parkett stellt sich allerdings für die alte Dame auf Platz 17 momentan eher nicht. Aber immerhin: Nachdem selbst der Lorantwerner vergeblich seinen Beitrag zur Auferstehung aus spielerischen Ruinen feilgeboten hatte, erfolgt sehr pünktlich zum Redaktionsschluss die Verkündung des Typen für die Rückrunde. Statt gelackschuhten Statements nun also die Hans Meyer eigene Mischung aus postkommunistischer Kauzigkeit, Bodennähe und Ironie. Die Berliner Sportjournalisten sind´s zufrieden, alldieweil sich mit den allseits beliebten Bonmots aus frisch berufenem Cheftrainermunde die Winterpause komfortabel füllen lassen sollte. Und auch wir werden wieder genau hinhören, wenn es mit gewohnter sprachphilosophischer Subtilität heißt: „Hans Meyer, das ist kein Name, das ist ein Sammelbegriff“.

Norbert Niclauss