Zum leidigen Streit um eine Fahne

Die Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia (TBAF) hat auch beim Heimspiel gegen den SV Altlüdersdorf wieder eine von den Machern des Films „God save TeBe“ gestiftete Regenbogenfahne mit dem Vereinslogo an einem der Fahnenmaste hinter dem E-Block aufgehängt und damit einen Beschluss der Mitgliederversammlung – also des obersten Organs unseres Vereins – umgesetzt.

Schon beim Heimspiel gegen den SV Grün-Weiß Brieselang wurde diese Fahne aufgehängt, damals noch in Kombination mit zwei ebenfalls gestifteten lila-weißen Fahnen mit dem Vereinsemblem. Beide Male musste der Beschluss der Mitgliederversammlung vom Dezember gegen den Willen des amtierenden Vorstands umgesetzt werden. Es handelt sich um einen Beschluss, der mit einer Mehrheit von über 80 Prozent mehr als deutlich ausgefallen ist. Selbst der damalige Vorstand stimmte mehrheitlich für den Beschluss: Drei Ja-Stimmen, eine Enthaltung. Beim gestrigen Heimspiel haben der aktuelle Vorstand bzw. die Geschäftsführung nun sogar versucht, die Umsetzung des Beschlusses der Mitgliederversammlung aktiv zu verhindern. Zum einen wurden noch auf die Schnelle eigene Fahnen mit TeBe-Logo in einem unansehnlichen Flieder-Weiß gedruckt, um die Fahnenmasten zu belegen. Zum anderen waren zum ersten Mal seit langer Zeit fast ausschließlich externe Ordner eingesetzt. Durch diese wurde dann auch versucht das Aufhängen der Regenbogenfahne zu unterbinden, was aber durch viele TeBe-Fans verhindert wurde, die sich schützend um den Fahnenmast gestellt hatten.

Wie es zu dieser Auseinandersetzung zwischen Fans und Vorstand bzw. Geschäftsführung gekommen ist, wird im unten dokumentierten Text erläutert, der gestern auch im Stadion verteilt wurde. Zur Vollständigkeit gehört auch, dass der Vorstandsvorsitzende in der Presse mit einem weiteren Argument gegen das Aufhängen der Fahne zitiert wird, das gegenüber TBAF direkt aber bisher noch gar nicht genannt wurde. Laut FuWo behauptet er nämlich, dass der Antrag auf der Mitgliederversammlung formal nicht korrekt gewesen sei. Dies ist zum einen nicht richtig, zum anderen wäre ein formal nicht ganz korrekt gestellter Antrag kein Grund, den mehr als deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen der Mitgliederversammlung zu ignorieren – es sei denn, man möchte die Fahne unbedingt verhindern.

Im Folgenden die „Erklärung der Abteilung Aktive Fans zum leidigen Streit um eine Fahne“:


Liebe TeBe-Fans,
liebe Borussinnen und Borussen,

im September letzten Jahres unterbreiteten die beiden Macher des Films God save TeBe, Christian und Johannes, unserem Verein das Angebot, nicht benötigte Einnahmen ihres Crowdfundings zur Anschaffung dreier neuer Flaggen für die seit langem verwaisten Fahnenmasten hinter Block E zu spenden. Neben dem Vereinslogo Tennis Borussias sollte eine der Fahnen im Hintergrund die Farben des Regenbogens zeigen, um damit ein Zeichen für Respekt und Vielfalt zu setzen. Während unseres letzten Heimspiels vor gut zwei Wochen wurden die Fahnen nun erstmals gehisst. Dies war jedoch leider nur gegen den Willen des amtierenden Vorstands möglich.

Weshalb wir die Fahnen dennoch auch in Zukunft aufhängen werden, möchten wir euch hier erläutern.

Einige Wochen nachdem Johannes und Christian erstmals an den Verein herangetreten waren, wurde uns mitgeteilt, dass der Vorstand sich uneinig sei, ob er das Angebot annehmen möchte, und er deshalb vorschlage, die kommende Mitgliederversammlung und damit höchste Instanz unseres Vereins darüber entscheiden zu lassen. Genaue Gründe für seine Vorbehalte führte der Vorstand nicht an, lediglich dass bei einzelnen Mitgliedern Bedenken bestünden, das Vereinsemblem in Kombination mit einer Regenbogenfahne abzubilden. Die Abteilung Aktive Fans stellte daraufhin bei der im Dezember abgehaltenen Mitgliederversammlung einen entsprechenden Antrag. Diesem Antrag wurde nach eingehender Diskussion durch die Mitglieder Tennis Borussias mit einer sehr, sehr deutlichen Mehrheit entsprochen. Unmittelbar im Anschluss an das positive Votum der MV wurden daher die Fahnen in Druck gegeben. Zu Beginn der Rückrunde waren die Fahnen dann bereit zur Übergabe an den Verein. Da diese Übergabe medial begleitet werden sollte, um auf das langjährige Engagement Tennis Borussias gegen Homophobie auch öffentlich aufmerksam zu machen, baten Johannes und Christian den Vorstand im Februar um Vorschlag eines geeigneten Termins im Rahmen eines Heimspieltages. Noch bevor die beiden hierauf Antwort erhielten, trat jedoch Anfang März der amtierende Vorstand in Folge eines großen Etatdefizits zurück und Jems Redlich wurde durch den Aufsichtsrat zum neuen Vorsitzenden des Vereins berufen. Auf erneute Nachfragen, wann die Übergabe stattfinden könne – nun auch durch den Aufsichtsrat – wurde diesem mitgeteilt, dass der Vorstand entschieden habe, die Fahnenspende abzulehnen, und dass das Aufhängen der Fahnen untersagt sei.

Im entsprechenden – anscheinend zumindest teilweise von einem Juristen formulierten und dennoch auch rechtlich fehlerhaften – Vorstandsbeschluss vom 27. März, der daraufhin dem Aufsichtsrat und kurz vor unserem letzten Heimspiel auch erstmals der Abteilung TBAF zuging, argumentiert der Vorstand, er sehe sich „wegen eines möglichen Verstoßes gegen übergeordnete Satzungsvorgaben“ derzeit nicht in der Lage, der „Empfehlung“ (!) der Mitgliederversammlung zu folgen. Er behauptet in seinem Beschluss: „Nach § I Absatz 9 der Satzung des Vereins sowie aber auch im Sinne der zwingenden Vorgaben aus den Allgemeinen Grundsätzen des DFB und des BFV ist der Verein der strikten Neutralität verpflichtet. Dies gilt nicht nur gegenüber parteipolitischen und religiösen Grundsatzfragen oder tagespolitischen Auseinandersetzungen, sondern auch in weltanschaulichen, ethnischen Fragen und Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der sexuellen Identität“. Die Annahme der Fahnenspende und gleichzeitig das Aufhängen der Regenbogenfahne stelle, behauptet der Vorstand weiter, eine „auch nach dem Verständnis der Antragsteller solidarische Bekundung zu einer bestimmten sexuellen Identität“ dar. Dies sei „geeignet“, die „Neutralitätspflicht des Vereins zu verletzen“. Eine solche Entscheidung könne, so der Vorstand, „den Verein dazu zwingen, in ähnlich gelagerten Fällen z.B. in politischen oder religiösen Fragen solidarische Bekundungen abgeben zu müssen, wobei sich die Antragsteller auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen könnten.“ Er verkenne, behauptet der Vorstand, nicht „die organschaftliche Stellung der Mitgliederversammlung“, jedoch sei es „die wesentliche Aufgabe des Vorstands als Handlungsorgan des Vereins, Schaden von dem Verein abzuwenden, die Satzung zu wahren und entsprechende Sorgfaltspflicht walten zu lassen.“ Weiter führt der Vorstand in dem Beschluss aus, er sehe sich außer Stande, „ohne eine gründliche rechtliche Prüfung“ der „Empfehlung“ der Mitgliederversammlung nachzukommen, diese Prüfung müsse aber zurückgestellt werden. Zu gegebenen Anlässen wie dem Christopher Street Day könne „nach jeweiliger Antragstellung, plausibler Begründung und Freigabe durch den Vorstand“ eine Regenbogenfahne ohne Vereinslogo gehisst werden. Man stehe auch der Nutzung des Vereinslogos auf einer Fan- oder Zaunfahne in Regenbogenfarben „mit größtmöglicher Kulanz“ (!) gegenüber. 

Der Aufsichtsrat antwortete dem Vorstand anschließend in einer ausführlichen Mail mit dem Appell, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken, da es sich mitnichten um eine „Empfehlung“, sondern vielmehr um einen Beschluss der Mitgliederversammlung handelt, dem laut Satzung unseres Vereins der Vorstand Folge zu leisten hat. Darüber hinaus nahm das Schreiben ausführlich Stellung zu den seitens des Vorstandes angeführten Argumenten. Die Befürchtung, eine Regenbogenfahne mit Vereinsemblem könne im Konflikt mit Vorgaben übergeordneter Verbände stehen, wird entkräftet mit zahlreichen Auszügen aus dem Ethik-Kodex des Deutschen Fußball-Bundes und dessen Satzung. Darin ist bspw. zu lesen:

„Zweck des DFB ist die Förderung des Sports. Dieser Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch:
[…] die Vermittlung von Werten im und durch den Fußballsport, unter besonderer Berücksichtigung[…] der Förderung von Integration und Vielfalt sowie der Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung, insbesondere im Hinblick auf die soziale oder ethnische Herkunft oder eine behauptete „Rasse“, den Glauben, das Alter, das Geschlecht, die sexuelle Identität oder eine Behinderung“.„Der DFB hat aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses, seiner Größe und seines Selbstverständnisses eine herausragende gesellschaftliche, soziale und sportpolitische Verantwortung. Wir nehmen diese Verantwortung […] in vielfältiger Art und Weise aktiv wahr, durch […]
Wertevermittlung im und durch den FußballsportUnterstützung gesellschaftlicher Themen und Herausforderungen mit den Möglichkeiten des FußballsportsBeteiligung an karitativen und humanitären Maßnahmen.Dabei fühlen wir uns in hohem Maße dem Gedanken des Fair Play verbunden und verpflichtet. Mit der gezielten Förderung von Fair Play, Integrität, Respekt, Vielfalt und Solidarität werden die Grundlagen des Fußballs gestärkt. Der aktive Fußballsport und das ehrenamtliche Engagement in den Vereinen leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben.
Aufgrund seiner starken Präsenz im Alltag und seiner Anziehungskraft will der Fußball eine Vorbildfunktion übernehmen und dadurch als wichtiger Multiplikator über das Spiel hinaus positive gesellschaftliche Veränderungsprozesse unterstützen.“

Weiterhin verweist der Aufsichtsrat auf einen Leitfaden des Berliner Fußball-Verbandes zum Thema Homophobie, der das Engagement unseres Vereins mehrfach lobend erwähnt, und die Initiative Fußballfans gegen Homophobie, die bei TeBe-Fans ihren Ursprung nahm und im vergangenen Jahr vom DFB mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet wurde. Um auch letzte Zweifel auszuräumen, wurden telefonisch Bestätigungen des DFB und des BFV eingeholt, dass eine entsprechende Fahne weder gegen Grundsätze noch Regularien der Verbände verstößt, sondern vielmehr ganz in deren Sinne wäre. Daher kann auch nicht überraschen, dass längst auch bei anderen, teils höherklassigen Vereinen Regenbogenfahnen mit den jeweiligen Vereinsemblemen gezeigt wurden und werden. Eine solche Fahne verstößt auch keineswegs gegen die Satzung Tennis Borussias, die bei der letzten Mitgliederversammlung noch vor unserem Antrag verabschiedet wurde. Diese besagt, dass „[d]er Verein menschen- und demokratiefeindlichen, insbesondere antisemitischen Bestrebungen entschieden entgegen [tritt].“ Diesen Satz „würde das Aufhängen einer Fahne als Symbol der Solidarität mit wegen ihrer sexuellen Identität diskriminierter Menschen erst mit Leben füllen“, schreibt der Aufsichtsrat hier richtigerweise.

Zugrunde liegt den Bedenken des Vorstands offenbar auch ein völlig falsches Verständnis des Symbols der Regenbogenfahne und somit unserer Intention. So nimmt der Vorstand an, die Regenbogenfahne stelle eine „solidarische Bekundung zu einer bestimmten sexuellen Identität dar, die nach Auffassung des Vorstands geeignet ist, die Neutralitätspflicht des Vereins zu verletzen“. „Mitnichten“ ist die Regenbogenfahne aber „eine Wertung, nach der eine bestimmte sexuelle Identität einer anderen überlegen wäre“, so der Aufsichtsrat. Ebenso bleibt vollkommen unverständlich, weshalb der Verein dadurch gezwungen werden könnte, „in politischen oder religiösen Fragen solidarische Bekundungen abgeben zu müssen“, wo doch unsere Satzung die parteipolitische und religiöse Neutralität des Vereins vorschreibt. Zudem drängt sich die Frage auf, weshalb die nun ins Feld geführten satzungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieses Antrags denn nicht bereits auf der MV artikuliert wurden. Eine solche Nichtvereinbarkeit erst im Nachhinein festzustellen bzw. herbeizukonstruieren, halten wir für eine überaus bedenkliche Vorgehensweise.

Obwohl der Aufsichtsrat im weiteren Verlauf des Schreibens noch eindringlich davor warnt, den Entschluss der Mitgliederversammlung weiterhin zu ignorieren, den Verein somit möglicherweise vor eine Zerreißprobe zu stellen und ihm bei Publikwerden des Konflikts erheblichen Imageschaden zuzufügen, teilte der Vorstand mit, an seiner Entscheidung festzuhalten. Der Aufsichtsrat bat den Vorstand daraufhin, den Vorstandsbeschluss auch an die Abteilung TBAF als Antragsteller zu übersenden. Dieser erreichte uns per Mail am 4. Mai verbunden mit der Einladung zu einem „offenen Gespräch“. Wir teilten dem Vorstand daraufhin mit, zwar bestürzt über diesen Beschluss zu sein, uns jedoch über das Gesprächsangebot zu freuen und es gerne anzunehmen – auch um die Möglichkeit zu nutzen, gemeinsam ein paar grundsätzliche Dinge in Bezug auf eine künftige Zusammenarbeit zu besprechen. Dass daran jedoch offenbar kein Interesse besteht und das Gespräch nicht unbedingt ein „offenes“ werden würde, machte Jems Redlich in einer knappen Rückantwort klar, in der er schreibt: „Dieser Termin soll dazu dienen Euch die finale Entscheidung näher zu bringen.“

Nachdem bereits auf die Argumente des Aufsichtsrates inhaltlich nicht eingegangen worden und der Beschluss exakt der alte geblieben war, war spätestens jetzt klar, dass seitens des Vorstandes keine Bereitschaft zu einer sachlichen Auseinandersetzung besteht. Der Vorstand setzt sich folglich über einen Beschluss der Vereinsmitglieder hinweg und ist im Weiteren nicht bereit, diese Entscheidung zu diskutieren. Dass er dies mit der Begründung tut, es sei seine Aufgabe, „Schaden von dem Verein abzuwenden, die Satzung zu wahren und entsprechende Sorgfaltspflicht walten zu lassen“, ist schon beinahe tragikomisch. Man muss jedenfalls nicht zwingend ein Befürworter der Fahne sein, um zu erkennen, dass ein solches Vorgehen, sollte es Erfolg haben, ein gefährliches Signal im Hinblick auf die demokratischen Strukturen unseres Vereins wäre. Für diesen sind in Folge dieses rücksichtslosen Agierens derweil bereits erste Schäden spürbar geworden – etwa durch die Niederlegung einiger Ehrenämter sowie den Rückzug eines Basissponsors und mehrerer Wirtschaftsclubmitgliedschaften. Seine hohe Reputation, das nach wie vor starke überregionale Medieninteresse sowie zahlreiche Auszeichnungen verdankt der Verein heute vor allem dem allseits anerkannten gesellschaftlichen Engagement seines Umfelds. Der Einsatz für Verständigung und Weltoffenheit ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Historie unseres Vereins. Das aktuelle Verhalten der Vereinsführung konterkariert die bisherige Wahrnehmung Tennis Borussias als Vorreiter im Kampf um ein respektvolles Miteinander und fällt weit hinter gesellschaftlich längst überwundene Positionen zurück. Das halten wir für beschämend und schädlich. Nicht zuletzt deshalb wäre uns an einer vereinsinternen, einvernehmlichen Lösung sehr gelegen gewesen. Solange ergebnisoffene Gespräche seitens des Vorstands jedoch kategorisch abgelehnt werden, werden wir die Fahnen künftig auch ungeachtet dieses Beschlusses aufhängen, so lange dies dem Votum der großen Mehrheit der Mitglieder Tennis Borussias entspricht.

Leider fügt sich diese Angelegenheit aktuell in eine Reihe anderer problematischer Entwicklungen ein, die teilweise sehr viel weiter reichen. Das anhaltende Desinteresse und die fehlende Unterstützung des Vorstands für die TeBe-Juniorinnen beispielsweise führte zum Rücktritt Chantal Hoppes, was einen absolut unersetzlichen Verlust für den gesamten Verein darstellt. Nachdem aus den gleichen Gründen auch weitere tragende Säulen wegzubrechen drohen, ist der Fortbestand des Mädchenfußballs entgegen anderslautender Veröffentlichungen weiterhin schwer gefährdet. Mit ähnlich gearteten Problemen hat auch unsere 2. Herren seit Jahren zu kämpfen, deren Fortbestehen aktuell ebenfalls stark gefährdet scheint. Wir appellieren daher weiterhin an die Vereinsleitung, ihren selbsterteilten Auftrag künftig wörtlich zu nehmen und „Schaden von dem Verein abzuwenden, die Satzung zu wahren und entsprechende Sorgfaltspflicht walten zu lassen“. Dabei vertrauen wir auf eure Unterstützung und stehen euch gerne jederzeit im Stadion, dem Fanladen oder via tbaf@tebe.de für Gespräche zur Verfügung.

Lila-weiße Grüße!
Abteilung Aktive Fans am 26. Mai 2017