Wie anders kann Fußball auf der Welt sein, mag der kundige Fan sich fragen? Besonders dort, wo er in der Zuschauergunst nur die zweite, dritte oder wie im hier vorliegenden Fall gar nur die vierte Geige spielt. In Australien, entdeckt und bevölkert von britischen Einwanderern und Strafgefangenen, hat man sich den britischen Geschmack des 19. Jahrhunderts auch bei der Auswahl der Lieblingssportarten bewahrt. Rugby und Cricket mobilisieren hier die Massen.
Daneben hat sich aber die wahre Lieblingssportart der Aussies herausgebildet, eine Sportart, die es in dieser Form nur hier gibt: Australian Rules Football, kurz „footy“. Ein Mischmasch aus Rugby und Fußball. Letzteres, also Fußball, findet hier fast überall unter Ausschluß der Medien- und Publikumsöffentlichkeit statt und wird hauptsächlich von südeuropäischen Einwanderern betrieben. Doch eine Stadt wehrt sich gegen diese Unterdrückung von des deutschem liebsten Kind: Adelaide, South Australia. Mit einem Zuschauerschnitt von über 12.000 hat der ortsansässige United FC mehr Zuschauer im Schnitt, als manche ein Team der Liga insgesamt.
Und wenn die Finals kommen, verkauft United sein Stadion mal eben binnen 6 Stunden aus. Unter den 16.558 glücklichen Karteninhaber befand auch im mich. Es stand an das „minor semi-final“, das Spiel dritter der Liga gegen vierter, um den Einzug ins „preliminary final“:
Adelaide United gegen South Melbourne. Und die 500 mitgereisten Gäste, vornehmlich italienischer Abstammung, machten pyrotechnisch ganz schön Rabatz.
Das Spiel selbst war für meine, deutschen Fußball gewöhnten Augen na ja, ich will mal sagen, „komisch“. Viel weiniger Getrete, kaum bis gar keine Taktik, einen überaus großzugigen Schiedsrichter und haarsträubende Fehler bis zum Abwinken. An einem guten Tag hätte TeBe glaube ich gute Chancen, australischer Meister zu werden. So viel zum Niveau…
Spannend war es dennoch. South Melbourne ging bereits nach elf Minuten mit 1:0 in Führung, nach dem Adelaides Libero (und einziger international einigermaßen bekannter) Aurelio Vidmar einen Kopfball in geradezu tölpelhafter Manier verpasst hatte. Danach verlegte sich SM nur noch aufs Kontern und ließ Adelaide kommen. Die wussten aber mit den Räumen auch nicht viel anzufangen. So blieb es bis zum Halbzeitpfiff beim 0:1. Unmittelbar nach dem Halbzeitpfiff ereignete sich jedoch die spielentscheidende Szene. Ein Melbourner Spieler trat unmittelbar nach dem Pfiff einen United-Spieler an der gegnerischen Außenlinie einfach um. Eine rote Karte war die Folge. Dies sollte das Spiel endgültig zu gunsten von United wenden. Hatte SM in der ersten Hälfte noch einige gefährliche Konter gefahren, so riegelte man sich in der zweiten Hälfte am eigenen Strafraum ein. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der Ausgleich kommen sollte. In der 70. Minute war es dann soweit, Aloisi zog aus 20m ab, traf den Innenpfosten und drin war das Ding. Die vorher ernüchterten 16.000 waren nun hellwach und machten einen Höllenlärm. United verpasste es aber, in der regulären Spielzeit die Entscheidung herbeizuführen. So musste die Verlängerung, unter Anwendung der in Europa glücklicherweise längst wieder abgeschafften Golden Goal-Regel, entscheiden. United drückte, mit einem Mann mehr, verständlicherweise von Beginn an. Doch es sollte bis zur 101. Minute dauern, bis die Weichen auf Sieg gestellt wurden. Eine weite Flanke von links segelte in den Melbourne-Strafraum, ein Adelaide-Spieler reckt sich nach dem Ball, verpasst ihn knapp. Dann ein Pfiff: Elfmeter! Offenbar war der Spieler gehalten worden. Ich habe mir das im Fernsehen noch mal in der Wiederholung angesehen. Und erst in der dritten Zeitlupe erkannte man das Trikot-Zupfen. Respekt also an den Schiedsrichter, für diese mutige, aber richtige Entscheidung.
Was folgte waren natürlich wütende Proteste von South Melbourne. Doch alles brachte nichts, der Ball lag auf dem Punkt. Und als Richie Alagich den Ball nach drei schier endlosen Minuten mit voller Wucht in den Dreiangel donnerte, verwandelte sich das Stadion in ein Tollhaus.
Adelaide United trifft jetzt im „preliminary final“ auf Perth Glory. Der Sieger dieses Spiels trifft im „grand final“ auf Parramatta Power.
Vielleicht ein kurzes Resümee: Obwohl es sicher mal eine Abwechselung ist, Fußball in Australien zu erleben, möchte ich doch TeBe und den deutschen Fußball an sich nicht missen. Es ist nämlich, alle Spannung beiseite gelassen, für einen Fußball-Fan nicht leicht, wenn sich das Spitzenniveau der Liga auf (maximal) Regionalliga-Niveau befindet.
Tore: 0:1 Curcija (11.), 1:1 Aloisi (70.), 2:1 Alagich (104. Foulelfmeter)
Zuschauer: 16.558 (all-time Rekord für Adelaide)